Ich habe mich im Netz einer Spinne verfangen,
es schimmerte so lieblich noch im Morgenlicht.
Dann spürte ich: Das Glitzern klebt und lässt mich bangen,
jetzt blicke ich zur Spinne, das behagt mir nicht.
Von Weitem schien sie schön, doch von Nahem bringt sie Schrecken,
mein Leben ist ein düsteres Szenario.
Sie wickelt mich in Seide, sie grinst, die Zähne blecken,
sie weidet sich am Blute, frisst mich warm und roh.
Mit jedem Tag der anbricht, wird mein Gefängnis dunkler,
ich wehre mich zwar tapfer, doch die Hilfe fehlt.
Die Lebenssäfte tropfen, die Schreie werden leiser,
bin trostlos, doch ich hab' mich lang genug gequält.
So lass ich mich denn fallen, spür' Gift in meinen Adern,
betäubt es mich, vermeide ich den tiefsten Schmerz.
Mein Schicksal ist besiegelt, was hilft mir alles Hadern?
Nur langsam pocht der Pulsschlag im gebrochnen Herz.
Bin kraftlos und auch müde, erkenne im Entschlafen,
den Schatten einer Wespe, die zum Netze strebt,
ich seh in ihren Kiefern die hoffnungsvollsten Waffen,
sie beißt mich frei und freut sich: Ihre Beute lebt!
Gedicht
Die Deutschen sind ein gemeingefährliches Volk: Sie ziehen unerwartet ein Gedicht aus der Tasche und beginnen ein Gespräch über Philosophie.
Heinrich Heine, 13.12.1797 - 17.02.1856
Heinrich Heine, 13.12.1797 - 17.02.1856
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