Gedicht

Die Deutschen sind ein gemeingefährliches Volk: Sie ziehen unerwartet ein Gedicht aus der Tasche und beginnen ein Gespräch über Philosophie.

Heinrich Heine, 13.12.1797 - 17.02.1856

Mittwoch, 17. September 2014

Einsam

Einsam kannst du unter tausend Menschen sein,
selbst wenn sie voll Leidenschaft erzählen.
Wer Gedanken teilt, ist jedoch nie allein.
Denn wer etwas teilt, kann daraus wählen.

Manchmal bin ich einsam, weil ich mutlos bin,
dann zerreißen Bande steter Freundschaft.
Schon zermürb’ ich mir den Kopf um Ziel und Sinn,
werde melancholisch – ach, wie lachhaft!

Wäre ich ein Mensch, geschmeidig, wie vom Band,
käme mir die Einsamkeit vulgär vor.
Doch ich stehe außen, am entfernten Rand,
abseits vom Gerangel im „Mach-Mit-Chor“.

Selten war ein Mensch mir jemals gleichgesinnt,
selten sah ich mein Gesicht im Andern.
Wer der Fantasie nicht mühelos entrinnt,
den zwingt sein Verstand zum steten Wandern.

Lösche ich mein Sehnen nach der Tiefe aus,
mag ich meiner Einsamkeit wohl trotzen.
Komm’ jedoch als schwach beseelter Mensch heraus,
ohne eignen Stamm und eigne Wurzeln.

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